Diskriminierung von Muslimen am Goethegymnasium in Hildesheim - Brief der Eltern
Diskriminierung von Muslimen am Goethegymnasium in Hildesheim???
Wie DAWA-NEWS am 13.10.2012 berichtete, hatte der Schulleiter des
Goethegymnasiums in Hildesheim wenig Verständnis für ein muslimisches
Mädchen in der fünften Klasse, das aus religiösen Gründen nicht am
koedukativen Schwimmunterricht teilnehmen wollte. Da gäbe es keine
Ausnahmen, meinte er. (Quelle)
Hier der Brief der Eltern, der
DAWA-NEWS zur Verfügung gestellt wurde, an das zuständige Schulamt. Er
schildert den Fall und zeigt die Betroffenheit und Enttäuschung der
Eltern und des Mädchens:
Stadt Hildesheim
Schulamt
Postfach 101255
31112 Hildesheim
Bad Saldetfurth, 01.10.2012
Schulwechsel
Sehr geehrte Damen und Herren,
„die Schulen haben sich zunehmend auf die ethnische, kulturelle und
religiöse Vielfalt ihrer Schülerinnen und Schüler eingestellt und
fördern dadurch in ihrer Erziehungs- und Unterrichtsarbeit den
gesellschaftlichen Zusammenhalt.“
Diesen Satz aus der
Handreichung “Religiös begründete schulpraktische Fragen” der deutschen
Islamkonferenz konnten wir als Eltern der 10-Jährigen S. in Hinblick auf
niedersächsische Schulen ohne Einschränkung zustimmen – zumindest bis
zu unseren jüngsten Erfahrungen mit einer weiterführenden Schule in
Hildesheim.
Unsere Tochter besuchte bis zum Juni dieses Jahres
eine Grundschule Bad Salzdetfurth. Wegen ihrer Neugier und ihrem
Lerneifer konnte sie in der Schule immer gute Leistungen aufweisen. Als
aufgewecktes und kluges Kind war sie bei ihren Mitschülern und Lehrern
gleichermaßen beliebt. Aufgrund ihrer sehr guten Zeugnisse erhielt sie
auch eine gymnasiale Empfehlung.
Am 04.09.2012 wurde unsere
Tochter in dem Goethegymnasium Hildesheim, Goslarsche Straße 65, 31134
Hildesheim eingeschult. Für diese Schule haben wir uns entschieden, da
sie einen erstklassigen Ruf genießt und die Schulleitung einen sehr
toleranten Eindruck erweckt. So hat auch der Schuldirektor, Herr Weddig,
bei seiner Rede anlässlich der Einschulung seine Offenheit
signalisiert, u. a. mit den Worten „wir sind für einander und
miteinander und helfen einander.“
Für das fünfte Schuljahr ist
in dem Goethegymnasium ein koedukativer Schwimmunterricht vorgesehen.
Die Teilnahme am koedukativ erteilten Schwimmunterricht stellt jedoch
einen Gewissenskonflikt für unsere Tochter dar.
Sie müssen
wissen, dass sich die Neugier unserer Tochter nicht nur auf den
schulischen, sondern auch auf den religiösen Bereich erstreckt. Demgemäß
interessiert sie sich sehr für religiöse Fragen und liest auch gerne
Bücher aus diesem Bereich. Dadurch bedingt, beachtet sie aus eigenem
Antrieb heraus religiöse Normen und Werte, wie z. B. die islamischen
Bekleidungsvorschriften. So hat sie uns darüber informiert, dass sie mit
dem Wechsel der Schule gerne das Kopftuch tragen würde. Obwohl sie
dafür noch zu jung ist, haben wir uns entschlossen, sie darin zu
unterstützen.
Wegen ihres eigenen Verständnisses von den islamischen
Bekleidungsvorschriften wollte sie nicht am Schwimmunterricht
teilnehmen. Auch nach mehreren Gesprächen mit uns hielt sie daran fest.
In vergleichbaren Fällen haben wir in der Grundschule gemeinsam mit der
Klassenlehrerin und der Schulleitung stets eine Kompromisslösung
gefunden. Denn alle Beteiligten wussten, wie wichtig für unsere Tochter
ihr Glaube – schon in jungen Jahren – ist.
Gleichzeitig ist uns
die Wichtigkeit des Schwimmunterrichts für die Entwicklung eines Kindes
bewusst. Aus diesem Grunde hat unsere Tochter gemeinsam mit anderen
Kindern Schwimmen gelernt und hat auch das Schwimmabzeichen
„Seepferdchen“ erhalten.
Aufgrund unseres bisherigen
Erfahrungen und dem Eindruck, den der Schulleiter bei der Einschulung
vermittelte, haben wir gehofft, auch in dieser Situation im Rahmen einer
gemeinsamen Unterredung eine Lösung zu finden.
Leider wurden
unsere Hoffnungen schon bei dem ersten Gesprächstermin mit dem
Schulleiter am 11.09.2012 enttäuscht. Herr Weddig erklärte, dass die
Schule keine Ausnahmen mache und wir uns anzupassen hätten. Auch den
Umstand, dass unsere Tochter Kopftuch trage, hielt er für problematisch.
In diesem Zusammenhang sprach er von einer Schülerin, die von ihren
Eltern zwangsverheiratet worden sei. Wir versuchten, ihm zu erklären,
dass dies mit der Situation unserer Tochter nicht vergleichbar sei.
Zudem bemühten wir ihm zu vermitteln, wie wichtig unserer Tochter die
Einhaltung der islamischen Bekleidungsvorschriften sei und wie schwer es
uns fällt, sie entgegen ihres Gewissens zur Teilnahme am
Schwimmunterricht zu zwingen. Leider hatte der Schulleiter für unsere
Sorgen keinerlei Verständnis. Er wollt sich unsere Argumentation gar
nicht erst anhören und unterbrach uns ständig. Zum Schluss erklärte der
Schulleiter lediglich: „Wissen Sie, es gibt zwei Mauern, die sich nicht
treffen werden. Die eine ist Ihre Religion, und die andere ist unser
Schulgesetz, das ich vertrete.“
Nach dem Gespräch waren wir
gelinde gesagt, sehr schockiert und enttäuscht. Dennoch haben wir einen
weiteren Versuch zur Klärung der Angelegenheit gewagt. Doch auch das
zweite Gespräch am 18.09.2012 verlief ähnlich ernüchternd. Der
Schulleiter erklärte, entweder würde unsere Tochter am Schwimmunterricht
teilnehmen oder er werde das Ordnungsamt einschalten.
Traurig
darüber, dass nicht einmal ein vorurteilsfreies Gespräch möglich war und
um weiteren Konflikten aus dem Weg zu gehen, haben wir uns für einen
Schulwechsel entschieden und unsere Tochter an der IGS Bad Salzdetfurth
angemeldet.
Nach den ersten Tagen an der neuen Schule ist
unsere Tochter allerdings sehr unglücklich. Der Unterricht verläuft dort
sehr viel lauter und unruhiger. Vor allem aber entspricht das
Lernniveau nicht dem des Gymnasiums.
Wir als Eltern würden
unserer Tochter gerne die Möglichkeit bieten, eine Schule zu besuchen,
die ihre Begabungen fördert und ihrem Leistungswillen gerecht wird.
Gleichzeitig wollen wir unsere Tochter in Situationen, die für sie mit
einem Gewissenskonflikt verbunden sind, auf beste Art und Weise
unterstützen.
Insgesamt sind wir doch sehr bedrückt darüber,
dass der Schulleiter des Goethegymnasiums keinerlei Verständnis für die
individuelle Situation unserer Tochter gezeigt und auch keinen Weg für
eine Alternativlösung aufgezeigt hat. Stattdessen hat er seine
Vorurteile oder auch vorherigen negativen Erfahrungen mit muslimischen
Eltern auf unsere Familie projiziert.
Abschließend bitten wir
Sie daher darum, unserer Tochter und auch uns in dieser für sie sehr
belastenden Situation zu unterstützen, es ihr insbesondere zu
ermöglichen, wieder das Goethegymnasium oder ein vergleichbares
Gymnasium besuchen zu können. Auch wären wir Ihnen sehr dankbar, wenn
hinsichtlich des Schwimmunterrichts eine einvernehmliche Lösung gefunden
werden könnte.
Für Ihre Bemühungen danken wir ihnen im Voraus und verbleiben
mit freundlichen Grüßen
(Brief Ende)
Falls es sich hier um ein Missverständnis handeln sollte – da der
Schulleiter möglicherweise bis zu diesem Zeitpunkt negative Erfahrungen
mit Muslimen gemacht hat, wie aus dem Brief ersichtlich – könnte er
jetzt immer noch auf die Eltern des Mädchens zugehen und zum Wohle des
Kindes entscheiden.
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